Der ewige Faschismus by Umberto Eco

Der ewige Faschismus by Umberto Eco

Autor:Umberto Eco
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: #ohnefolie, Antisemitismus, Auf den Schultern von Riesen, Benito Mussolini, Bürgerrechte, das Eigene, das Fremde, Demokratie, Der Clan der Kinder, Der Name der Rose, Der neue Rechtsradikalismus, Deutschland, Die Freiheit frei zu sein, Die Lebenshungrigen, Diktatur, Diskriminierung, Doktrin, Europa, europäische Einheit, europäische Freundschaft, europäische Grenzen, Extremismus, Faschismus, Faschisten, Flucht, Flüchtling, freie Meinungsäußerung, freie Presse, Fremdenfeindlichkeit, Friede, Fundamentalismus, Gomorrha, Hannah Arendt, Identitäre, Immigration, Intoleranz, Italien, Lega, Matteo Salvini, Menschenrechte, Migranten, Migration, Neue Rechte, Phobie, Populismus, public intellectual, Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus, Rechtsstaat, Rhetorik, Roberto Saviano, Sozialstaat, Theodor W. Adorno, Totalitarismus, überzeitliche Strukturen, Verfolgung, Vertrag von Nimwegen, Wanderbewegungen, Wir und die Anderen, Zero Zero Zero, Zweiter Weltkrieg
ISBN: 978-3-446-26673-5
Herausgeber: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
veröffentlicht: 2019-11-12T16:00:00+00:00


Doch wir lasen in den Augen der Toten

Und werden Freiheit auf Erden schaffen

Umklammert halten die Fäuste der Toten

Die Gerechtigkeit, die dann herrscht.

Die Migrationen des dritten Jahrtausends

Das Jahr 2000 rückt näher. Ich werde hier nicht diskutieren, ob das neue Jahrtausend nun in der Nacht zum 1. Januar 2000 beginnt oder erst in der Nacht zum 1. Januar 2001, wie es Mathematik und Chronologie nahelegen würden. Auf dem Gebiet der Symbolik sind Mathematik und Chronologie eine Frage der Meinung, und gewiss ist 2000 eine magische Zahl, deren Zauber man sich nicht leicht entziehen kann, nachdem so viele Romane des vergangenen Jahrhunderts die Wunder des Jahres 2000 angekündigt haben.

Andererseits haben wir gelernt, dass auch in chronologischer Hinsicht die Computer mit ihren Daten bereits am 1. Januar 2000 in die Krise geraten werden und nicht erst am 1. Januar 2001. Unsere Gefühle mögen schwer zu greifen und verwirrt sein, aber die Computer irren auch dann nicht, wenn sie irren: Wenn sie am 1. Januar 2000 irren, liegen sie richtig.

Für wen ist das Jahr 2000 ein magisches Jahr? Für die christliche Welt natürlich, besagt es doch, dass zweitausend Jahre seit der mutmaßlichen Geburt Christi vergangen sind (auch wenn wir wissen, dass Christus keineswegs im Jahre null unserer Zeitrechnung geboren wurde). Wir können nicht »für die westliche Welt« sagen, da die christliche Welt sich auch auf orientalische Kulturen erstreckt, während zur sogenannten »westlichen« Welt auch Israel gehört, das zwar unsere Zählung der Jahre als Common Era betrachtet, aber in seiner Kultur eine andere Zählung praktiziert.

Andererseits hatte im 17. Jahrhundert der Protestant Isaac de la Peyrère entdeckt, dass die chinesischen Chronologien noch viel älter als die jüdischen waren, und er hatte die Hypothese aufgestellt, dass die Erbsünde nur für die Nachkommen Adams gelte, nicht aber für andere, lange vorher geborene Rassen. Natürlich war er zum Häretiker erklärt worden, doch ob er nun aus theologischer Sicht im Unrecht war oder nicht, er reagierte auf eine Tatsache, die heute niemand mehr bezweifelt: Die verschiedenen Datierungsweisen, die in verschiedenen Kulturen gebräuchlich sind, reflektieren verschiedene Theogonien und Historiografien, und die christliche ist nur eine unter vielen. (Ich möchte auch zu bedenken geben, dass die Zählung ab Anno Domini nicht so alt ist, wie man gemeinhin glaubt: Noch im hohen Mittelalter zählte man die Jahre nicht seit der Geburt Christi, sondern seit der mutmaßlichen Erschaffung der Welt.)

Ich denke, man wird das Jahr 2000 auch in Singapur und in Peking feiern, einfach wegen der Dominanz des europäischen Modells. Alle werden vermutlich die Ankunft des neuen Jahrtausends feiern, aber für die Mehrheit der Völker dieser Erde wird sie eher eine kommerzielle Konvention als eine innere Überzeugung sein. Wenn in China lange vor unserem Jahr null eine Hochkultur blühte (und wir wissen ja, dass vor diesem Jahr auch im Mittelmeerraum andere Hochkulturen blühten, wir haben uns nur darauf geeinigt, die Jahre, in denen Platon und Aristoteles lebten, als »vor Christus« zu zählen), was bedeutet es dann, das Jahr 2000 zu feiern? Es bedeutet den Triumph des Modells, das ich nicht das christliche nennen will, denn



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